Ein kurzer Überblick
Beim „Glück haben“ handelt es sich um ein zufälliges, positives Ereignis, während wir den Gefühlszustand „glücklich sein“ selbst in der Hand haben.
Es gibt weitere Merkmale, woran du beide unterscheiden kannst.
- „Glück haben“ ist u.a. unerwartet, unvorhersehbar und unabhängig von einem äußeren Ereignis.
- Im Gegensatz dazu kannst du völlig unabhängig von äußeren Umständen „glücklich sein“. Dieses Glück ist steuerbar, lernbar und häufiger verfügbar als „Glück zu haben“.
- In der Philosophie findest du das gefühlsbetonte „glücklich sein“ bei Seneca und den Stoikern wieder. Das zufällige „Glück haben“ ist in der heutigen Philosophie Teil von Wilhelm Schmids Glücks-Definition.
- Beispiele fürs “glücklich sein” in der Ethik findest du in diesem Artikel ebenso. Aristoteles, Kant und Bentham sind nur einige Beispiele für Ethiker, die sich mit dieser Glücksart auseinandergesetzt haben.
- Alltags-Beispiele sind fürs „Glück haben“ typischerweise der Lotto-Gewinn und fürs „Glücklich sein“ Gefühle wie Freude und Liebe.
Lass uns in den folgenden Kapiteln doch ein bisschen tiefer in jedes Thema einsteigen.
"Glück haben" und "glücklich sein" – eine Definition.
Wann hast du Glück? Und wann bist du glücklich? Auf den allerersten Blick könnte man meinen, es ist dasselbe, aber es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen beiden:
Was ist „Glück haben“?
Mit “Glück haben” meinen wir ein zufälliges Ereignis, das uns unerwartet etwas Positives beschert. Dies geschieht völlig ohne unser Zutun oder Talent. Es wird auch Zufallsglück genannt.
Was bedeutet „glücklich sein“?
“Glücklich sein” dagegen drückt einen Gefühlszustand aus (z.B. Freude, Liebe, Harmonie). Dieser kann kurz- oder längerfristig sein. Hierbei bleibt zunächst offen, ob
- das innere Gefühl von einem äußeren Ereignis ausgelöst wurde (z.B. ich fühle mich glücklich, weil ich gerade das Kaffee trinken mit meiner besten Freundin genieße) oder
- ich es z.B. durch Meditation innerlich auslöse (= inneres Glück) oder
- ob es sich um meine Grundeinstellung zum Leben handelt.
Das “Glücklich sein” kann man im Gegensatz zum “Glück haben” selbst beeinflussen.
Der Unterschied zwischen „Glück haben und glücklich sein“.
Die 9 Unterschiede im Überblick
Ich habe einmal für mich selbst analysiert - und natürlich für dich - wo der Unterschied zwischen “Glück haben” und “glücklich sein” liegt. Ich habe neun Aspekte gefunden!
Glück haben | glücklich sein |
| beeinflussbar |
| planbar |
| Gefühl |
| beinhaltet Positives, aber auch die Akzeptanz des Negativen |
| innerlich |
| erlernbar |
| wir müssen aktiv werden durch 1. Wollen, 2. Übung und 3. Konstanz |
| sehr häufig verfügbar, immer wenn ich das Gefühl erzeugen will (und nicht gerade einen schlechten Tag habe) |
| unabhängig (weil innerlich steuerbar) |
Synonyme: äußeres Glück / Zufallsglück | inneres Glück |
Was verraten uns diverse Sprachen?
Wenn du einen Blick auf andere Sprachen wirfst, wirst du feststellen, dass dort viel häufiger zwischen dem zufälligen “Glück haben” und dem gefühlten “Glücklich sein” unterschieden wird als im Deutschen.
Im Englischen z.B. benutzt man “luck” für das Glück, das man durch Zufall erfährt und „happy“ für das empfundene Glück.
Vielleicht erinnerst du dich (mit Schrecken?) an deinen Lateinunterricht zurück? Auch im Lateinischen wird zwischen fortuna (Glück haben) und felicitas (glücklich sein) unterschieden, im Französischen dagegen zwischen “la bonne chance” und “le bonheur”.
Der Faktor Zeit
Interessanterweise nehmen die Franzosen beim “Glücklich sein” (bonheur) gleich Bezug auf den Faktor Zeit (“heure”) womit sie absolut Recht haben. “Glücklich sein” wird nie ein Dauerzustand sein. Denn sich unglücklich, traurig oder gestresst zu fühlen, gehört auf ganz natürliche Weise ebenso zu unserer Gefühlswelt wie das Glück.
Übrigens ist auch “Glück haben” natürlich zeitlich begrenzt, gerade weil es zufällig und unvorhersehbar ist. Es ist unwahrscheinlich, den Hauptgewinn beim Lotto zu gewinnen. Zweimal im Leben dieses “Glück” zu haben, ist dagegen noch viel unwahrscheinlicher.
Was sagt die Philosophie dazu?
Beide Arten des Glücks - Glück haben und glücklich sein - können wir auch in der Philosophie wiederfinden.
Noch einmal kurz zur Erinnerung: “Glück haben” meint das zufällige Glück und “glücklich sein” das innere, gefühlte Glück.
Die Antike: Seneca und die Stoiker
Sowohl bei Seneca (1–65 n. Chr.) als auch bei den Stoikern (ab 300 v.Chr.) wird Glück als etwas Natürliches betrachtet. Es werde einzige und allein durch äußere Einflüsse gestört.
Hieraus würde ich schlussfolgern, dass zu diesen störenden, externen Faktoren auch das zufällige “Glück haben” zählt. Zufällige Glücksereignisse wie z.B. der Lotto-Gewinn, können das eigentliche Glück daher vielmehr aus dem Gleichgewicht bringen. Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass viele Lotto-Gewinner nach kurzer Zeit nicht glücklicher sind als zuvor und manchmal sogar ihr Leben aus den Fugen gerät.
Die Stoiker schlagen als Lösung für diese äußeren Störfaktoren vor, “bewusst die Unempfindlichkeit gegenüber Einflüssen zu pflegen” - auch als “stoische Ruhe” bekannt. Dies passt wunderbar in unsere heutige Zeit. Mit etwas Übung in der Meditation können wir genau dieses Ziel erreichen und unser inneres Glück ein Stück unabhängiger davon machen, was um uns herum passiert.
Seneca und die Stoiker sprechen sich also für das “innere (unabhängige) Glück” bzw. das “glücklich sein” aus.
Zeitgenössische Philosophie
In der aktuellen Philosophie unterscheidet Wilhelm Schmid das Glück nach drei Kategorien:
- das Zufallsglück (“Glück haben”, z.B. der Lottogewinn)
- das Wohlfühlglück. Es entspricht dem “glücklich sein”, wobei dieses über verschiedene Wege erreicht werden kann: Dazu gehören einfach alle Tätigkeiten oder Ereignisse, die uns wohlfühlen lassen (z.B. ein gutes Buch lesen oder der nächste Urlaub).
- das Glück der Fülle: Hier geht es darum, das Leben mit all seinen Gegensätzen zu akzeptieren (z.B. Freude und Ärger) und dadurch das “Glücklich sein” zu erreichen.
Was lehrt uns die Ethik?
Die antike Ethik und das Glück
Vielleicht wusstest du bereits, dass sich viele Philosophen der Antike mit dem Thema Glück und Ethik beschäftigt haben (siehe hierzu auch das vorige Kapitel).
Aristoteles hat sich intensiv mit dem Glück auseinandergesetzt und hielt seine Erkenntnisse in seiner “Nikomachischen Ethik” fest. Sie ist übrigens die wichtigste seiner drei ethischen Schriften.
Er kommt zu dem Schluss, dass “die Glückseligkeit das höchste und sich selbst genügende Ziel sei”. Dieses Glück sei noch wichtiger als alles andere, wonach der Mensch strebt, wie Ehre, Lust oder Vernunft.
Die Glückseligkeit, von der er spricht, kommt dem “glücklich sein” sehr viel näher als dem zufälligen “Glück haben”, auch wenn wir dieses Gefühl heute oft anders erreichen als in der Antike.
Das Glücksstreben in der Neuzeitlichen Ethik
Auch diese beiden Ethiker beziehen ihre Thesen auf das gefühlte “glücklich sein” und nicht auf das “Glück haben” (Zufallsglück):
Immanuel Kant ist als Ethiker der Vernunft und Pflicht bekannt. Er sieht das größte Glücksgefühl darin, dass der Mensch seine moralischen Pflichten erfüllt und nach seiner Vernunft handelt. Dieses Handeln soll seiner Vorstellung nach das Gefühl von Glück auslösen.
Jeremy Bentham (Gründer des Utilitarismus) ist der Meinung, dass das “Glück der größten Zahl” das wichtigste sei. Für ihn haben das Wohlergehen und der Nutzen der gesamten Gesellschaft Vorrang vor dem individuellen Glück.
Einige Beispiele für „Glück haben und glücklich sein“
Beispiele für “Glück haben”:
Ereignisse, die zufällig und unvorhergesehen eintreten und uns begünstigen:
- etwas Wertvolles finden (sofern man es nicht zurückgeben kann )
- bei einem Preisausschreiben eine Reise gewinnen
- beim Glücksspiel gewinnen (z.B. Lotto, Bingo, Roulette). Bei Bsp. 2 und 3 muss man natürlich teilgenommen haben, um zu gewinnen.
Zum “Glück haben” gehört auch, Pech oder Unglück zu entgehen:
- Den Bus wider Erwarten doch nicht zu verpassen - weil dieser auch Verspätung hat
- Den Flieger verpassen, der später abgestürzt wäre.
Sprachlich gibt es hier einige Varianten. Wir sprechen z.B. oft vom “Schwein” oder “Dusel haben”.
Beispiele fürs “Glücklich sein”
Hier gibt es die Art von “glücklich sein”, die wir selbst auslösen können: Das innere Glück. Dieses ist völlig unabhängig von einem äußeren Ereignis.
Es sind Gefühle, wie
- Harmonie
- Freude
- Liebe
- Gelassenheit
- Zuversicht
die man sich mit etwas Übung auch zur Grundeinstellung machen kann.
Wir können aber auch äußere Ereignisse oder Umstände zum “glücklich sein” zählen. Dann ist es das Ereignis oder der Zustand, welche das Glücksgefühl in mir auslösen, z.B.:
- Status
- Reichtum
- Erfolg im Beruf
- eine glückliche Partnerschaft